03/2018

Die Energiewende muss in den Kommunen erfolgen

Die Energiewende muss in den Kommunen erfolgen

Standen Rede und Antwort: Joachim Payr, Bürgermeister Helmut Haider, Bürgermeisterin Monika Maier, Regionalmanager Georg Straßer und Josef Schubert, Geschäftsführer der Gemeinde Bodenkirchen

Das große Interesse zahlreicher Anlieger und Bürger zur Infoveranstaltung im Bürgerstadel Bonbruck über die Vorplanungen zum Windradstandort bei Götzdorf war ein Spiegel für die Bedeutung des Themas. Die Stadt Vilsbiburg und die Gemeinde Bodenkirchen untersuchen derzeit zusammen die Voraussetzungen zum Bau einer Windkraftanlage. Da sie die Anlieger von Anfang an einbinden möchten, stellten sie den aktuellen Stand des gemeinsamen Projekts vor, noch bevor relevante Gutachten in Auftrag gegeben werden. Bürgermeisterin Monika Maier sowie Bürgermeister Helmut Haider gaben deutliche Statements für das Projekt, in Vertretung der gereiften Ansichten ihrer Kommunalgremien. Mit einem detaillierten Bericht ging Fachberater Joachim Payr auf die Qualifikation von zwei möglichen Standorten ein, bevor die Bürger zu Wort kamen und zahlreiche Anfragen der Anwohner beantwortet wurden. Josef Schubert, Geschäftsführer der Gemeinde Bodenkirchen, moderierte die Veranstaltung und Regionalmanager Georg Straßer stellte die Historie der bisherigen Betrachtungen vor dem Hintergrund der Erfordernisse der Energiewende vor.

 

Geschäftsleiter Josef Schubert erläuterte den bisherigen Weg der Gemeinde Bodenkirchen. Man habe sich im Gemeinderat eingehend informiert, bevor man den nun anstehenden Voruntersuchungen zugestimmt habe. Man hatte schon Mitte 2017 geplant, die Anlieger Anfang 2018 zu einer Infoversammlung einzuladen, erklärte Schubert. Im Herbst 2017 überreichten Anwohner im Umkreis der geplanten Anlage eine Unterschriftenliste, mit der sich 91 Bürger vorsichtshalber schon mal gegen den Bau des Windrads aussprachen. Um den nächstliegenden Bürgern bereits vor der Versammlung die Möglichkeit zu geben, sich im engen Kreis zu äußern, folgten Ende 2017 Gespräche der Gemeindevertreter mit Anliegern, die ihre Befürchtungen in einem persönlichen Gespräch zum Ausdruck brachten. Auch diese sollten nun in der Versammlung erörtert werden.

 

Die beiden Bürgermeister, Monika Maier von Bodenkirchen und Helmut Haider von Vilsbiburg, waren sich einig, dass die Energiewende nur aus den Kommunen heraus passieren könne und dass es in deren Verantwortung liege, windbegünstigte Standorte zu prüfen und bei positiven wirtschaftlichen und verträglichen gesellschaftlichen Voraussetzungen zu entwickeln. „Gerade im Hinblick auf die Diskussionen um die geplante Stromtrasse hat die Zukunftsvision der regionalen Stromerzeugung an Bedeutung gewonnen“, so Bürgermeisterin Monika Maier. Die Stadt Vilsbiburg, die sich als Klimakommune das Ziel der 100-prozentigen regenerativen Energieerzeugung gesetzt hat, betreibt über deren kommunalen Energieversorger „Stadtwerke Vilsbiburg“ bereits ein Windrad in Moosthann und möchte den Weg der regenerativen Energieerzeugung weiter vorantreiben. Sollten die Vorzeichen für eine verträgliche Umsetzung gegeben sein, liegt die Entscheidung letztlich in der Hand des Gemeinde- und Stadtrats. Die Frage nach dem Betreiber wurde zum derzeitigen Stand nicht untersucht. Zur weiteren Information findet demnächst eine Fahrt zum Windrad Weihbüchl statt, zu der die Anlieger eingeladen werden.

 

Saubere Energie für regionale Wertschöpfung

Regionalmanager Georg Straßer erläuterte in seinem Vortrag zunächst die Notwendigkeit für den Umstieg auf Erneuerbare Energien: um klimawandelbedingte Katastrophen (Deggendorf 2013, Simbach 2016) und künftige Völkerwanderungen zu vermeiden und um die Wertschöpfung dieser sauberen und günstigen Energien in der Region zu halten. Neben den Vorgaben vom Klimagipfel Paris, dort zu handeln, wo man eine gute Basis habe, erklärte er dem hoch interessierten Publikum, warum man ausgerechnet hier, im Bereich der Gemeindegrenze von Bodenkirchen und Vilsbiburg ein Windrad ins Auge fasse. Auf Basis der Daten des Windatlas Bayern wurden im Rahmen des Winderlasses im Jahr 2011 in den Regionalen Planungsverbänden windbegünstigte Vorranggebiete ausgearbeitet, die hinsichtlich der unterschiedlichsten Erfordernisse vorgeprüft wurden, samt einem 500-Meter-Abstand zu Wohnbebauungen. Diese wurden den einzelnen Gemeinden zur weiteren Planung zugewiesen und bereits 2012 begann man mit ersten Voruntersuchungen, 2013 wurden dazu bereits erste Informationsversammlungen abgehalten. Die Aufgabe der Gemeinden bestand im Wesentlichen auch darin, sich die Standorte – vor fremden Investoren – zu sichern, um gemeinsam mit dem Bürger langsam und verträglich zu planen. Diese Planungen stellte man bayernweit 2015 mit der Herausgabe der sogenannten 10-H-Regelung zunächst wieder ein, da man angenommen hatte, unter dem Abstand der zehnfachen Höhe einer Windanlage eine solche nicht mehr errichten zu dürfen. Erst im Laufe der folgenden Jahre wurde von Seiten des Staatsministeriums durch Aufforderungen an die Gemeinden immer deutlicher verkündet, dass man Windkraftanlagen durchaus wolle, aber nicht mehr wie anfangs als privilegierte Vorhaben, gegenüber denen alles andere in den Hintergrund gestellt würde, sondern als Bauvorhaben wie jedes andere mit Hilfe der üblichen Bauleitplanung voran zu bringen. „Und genau das tun wir hier und heute: Mit diesen Rahmendaten gehen wir jetzt zusammen mit Ihnen, den Bürgern, schrittweise vor“ konstatierte Straßer.

 

Ein nachhaltiges Projekt für die Zukunft unserer Kinder

Der internationale Experte Joachim Payr aus dem österreichischen Munderfing zeigte anhand der Schall- und Schattengutachten von zwei möglichen Standpunkten auf, was auf die Anlieger in der nahen Umgebung zukommen könne. Ein Standort gehöre der Gemeinde Bodenkirchen, das nahe an Hinterwimm und Holzen liege, das andere liege mittig zwischen allen, ziemlich am südöstlichen Waldrand. Dabei favorisiere er – wie auch die Gemeindevertreter – den zentralen Standort, der den größtmöglichen Abstand von allen Anliegern gleichermaßen halten würde, um niemand zu benachteiligen. Laut Payr konnten beide Standorte die Immissionsrichtwerte für Schall gemäß der TA Lärm auch an den nahegelegenen Wohnobjekten einhalten. Die anerkannten Grenzwertkriterien für den Schattenwurf können laut seinen Berechnungen unter Verwendung einer gängigen Schattenabschaltautomatik eingehalten werden. Eine relevante Anhebung des natürlichen Infraschallpegels bei den nächstgelegenen Wohngebäuden ist laut Payr keinesfalls zu erwarten. Der Experte stellte sicher, dass diese Ergebnisse lediglich eine Grundlage für viele weitere Prüfungen bedeuten, wie Natur- und Artenschutz, Wirtschaftlichkeit und vieler weiterer öffentlicher Belange, die im Rahmen des Bauleitverfahrens zu prüfen wären.

Monika Maier, Helmut Haider, Joachim Payr und Georg Straßer standen anschließend für zahlreiche Anfragen und Bedenken von Bürgern zur Verfügung. Payr brachte bei seinem leidenschaftlichen Plädoyer für die Windkraft die gesamte Situation auf den Punkt: „Das Windrad wird in 25 Jahren wieder abgebaut und recycelt – die Klimakatastrophe wird bei weiterem Fortschreiten gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Schäden bringen, deren Größe heute nur erahnt werden kann. Lassen sie uns gemeinsam an einer positiven Zukunft für folgende Generationen arbeiten und sehen sie nicht nur die Nachteile, sondern auch die große Chance darin, dieses Windrad hier auf der Gemeindegrenze von Bodenkirchen und Vilsbiburg zu verwirklichen.“

 

Hintergrund: 2010 veröffentlichte die Bundesregierung das „Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung“. Es geht dabei vor allem um die Umsetzung eines zentralen politischen Ziels zum Energiesystem der Zukunft: Deutschland soll bei wettbewerbsfähigen Energiepreisen und hohem Wohlstandsniveau eine der energieeffizientesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt werden. Ein hohes Maß an Versorgungssicherheit, ein wirksamer Klima- und Umweltschutz sowie eine wirtschaftlich tragfähige Energieversorgung sind zugleich zentrale Voraussetzungen.

 

Nachtrag dazu im Mai 2018 von Seiten des Regionalmanagements: Das Projekt bzw. der Gemeinderat Bodenkirchen wurden von einer dazu gegründeten Bürgerinitiative "Gegenwind" heftig unter Druck gesetzt. Daraufhin hat der Gemeinderat die weitere Projektarbeit eingestellt. Die Stadt Vilsbiburg möchte die Anlage im Grenzgebiet zu Bodenkirchen aus Gründen der guten Nachbarschaft nicht alleine projektieren, daher wurde es auch hier auf Eis gelegt.